Gerechte Sprache am Telefon? Wie sprechen wir sinnvoll von Mensch zu Mensch?

Gerechte Sprache am Telefon? Wie sprechen wir sinnvoll von Mensch zu Mensch?

Rassismus in Kinderbüchern, Gendern in Behördentexten und im Journalismus: Der richtige Umgang mit der Sprache ist Thema leidenschaftlicher Debatten. Das ist kein Zufall, denn Sprache schafft Denken und bildet Wirklichkeit ab – und ist ganz intimer Teil unserer Persönlichkeit. Jeder (und jede!) findet sich in seiner Sprache wieder und fühlt sich schnell angegriffen, wenn man ihm vorschreiben will, wie er zu reden und zu schreiben hat. Wobei das Reden noch einmal viel unmittelbarer wirkt und noch persönlicher zum Menschen gehört.

Sie sehen schon an diesen ersten Sätzen: Ich gendere nicht, sondern benutze das generische Maskulinum, das heißt die allgemein gültige männliche Form. Denn Grammatik hat nichts mit dem natürlichen Geschlecht zu tun. Das mache ich auch in meinen Seminaren so. Meine Teilnehmer spreche ich nicht mit „Liebe Teilnehmende“ an, sondern etwa mit „Herzlich willkommen und schönen guten Tag, Sie Lieben“ oder „Ihr Lieben!“. Ich mag Menschen und das drücke ich gern in einer freundlich-sympathischen Wortwahl aus. Dabei trete ich selbstredend für die Gleichberechtigung aller Menschen ein: Frauen sollen ganz selbstverständlich Führungspositionen einnehmen, Schauspieler mit Migrationshintergrund auch den Kommissar oder einen Konzernchef spielen, Menschen mit Behinderung überall im Leben vorkommen ohne sich zurückgesetzt zu fühlen. Aber ist es allen Ernstes notwendig, dass dies alles wirklich in jedem Satz sprachlich abgebildet wird? Verkrampfen wir uns dabei nicht oder klingen affig und schaffen nebenher eher neue Abgrenzungen? Eine Gesellschaft, die nicht mehr miteinander, sondern höchstens übereinander spricht, zerfällt in Teilwelten, die immer weniger miteinander zu tun haben. Wollen wir das?

Den Glottisschlag kann ich zum Beispiel nicht ausstehen. Das ist die kleine Pause, die Journalisten neuerdings sprechen, wenn sie den Genderstern oder den Unterstrich mündlich kenntlich machen wollen, etwa so: Kund_innen, Leser*innen. Das klingt für mich künstlich und umständlich. Wirkt Mitarbeitende oder Studierende nicht unfreundlicher, weil unpersönlicher, als Mitarbeiter und Studenten? Es gibt natürlich auch kreative Gender-Beispiele, etwa das Schild „Fahrrad bitte schieben“ statt „Radfahrer absteigen“. Und ja, um Aufmerksamkeit zu erregen, darf man auch mal das generische Femininum benutzen, also nur die weibliche Form, und die Männer mitmeinen (so geschehen im Justizministerium, was eine muntere Diskussion ausgelöst hat). Aber wie viel Zeit ver(sch)wenden Behörden oder Verlage darauf, die jeweils richtige Ansprache der Bürger oder Leser zu finden! Sollten wir diese Zeit nicht besser dafür nutzen, wirkliche Fortschritte in der Gleichstellung aller Menschen (das meine ich nicht sozialistisch) zu erzielen statt lediglich in der Sprache? Ich bin da Pragmatikerin.

Das Gegenargument lautet: Sprache und Handeln soll man nicht gegeneinander ausspielen, und etliche Menschen fühlen sich vom generischen Maskulinum nicht mitgemeint. Sicher bin auch ich dafür, mit Sprache sorgfältig umzugehen und darüber nachzudenken, was man sagt und wie man es sagt. Rassismus hat heute nichts mehr in der Sprache zu suchen, egal, was früher mal üblich war. Aber auch da schießen wir meines Erachtens über das Ziel hinaus. Historische Kinderbücher muss man nicht umschreiben („der Negerkönig“ in Pippi Langstrumpf), man kann Kindern sehr wohl erklären, dass sich die Welt und mit ihr die Sprache gewandelt hat – und sich das eben auch in Büchern zeigt. Wir sprechen heute ja auch nicht mehr wie Luther oder Goethe. Ganz krass wird es für mich, wenn die Allgemeinheit oder die veröffentlichte Meinung Migranten oder anderen Minderheiten vorschreiben will, dass und wie sie sich diskriminiert fühlen sollen. Ein Beispiel zum Schmunzeln finden Sie hier: https://www.rnd.de/panorama/kieler-restaurant-zum-mohrenkopf-warum-ein-schwarzer-gastronom-sein-lokal-nicht-umbennen-will-IP4ZSRMOHFCCXLAFCPNBBZWCGY.html

Sprache ist wichtig, denn sie ist das Mittel unserer Verständigung – und genau darum geht es: um Verständigung. Sie sprechen immer mit und zu anderen, in den aktuellen verstärkten Homeofficezeiten (die u. a. auch eine erfreuliche Entwicklung darstellen) oft auch am Telefon zu einer größeren Runde. Da haben Sie auf unterschiedliche Menschen einzugehen. Je komplizierter Sie sprechen, je komplexer Inhalt und Satzlänge sind, desto schwerer erreichen Sie andere. Und machen wir uns nichts vor: Gendern und eine rundum gerechte, gleichzeitig sinnvolle Sprache sind kompliziert. Allein, dass wir über jeden Satz nachdenken müssen, erschwert Schreib-, Rede- und Zuhörfluss in der Kommunikation. Gerade im Telefonverkauf ist es hilfreich, mit Empathie und Intuition ein feines Gespür für Ihr Gegenüber zu entwickeln. Und ja, das kann bis zu einem gewissen Grade auch Genderformen einschließen, wenn Sie merken, dass jemand da sensibel reagiert. Die allermeisten Deutschen lehnen nach unterschiedlichen Umfragen allerdings das Gendern ab. Außerdem ist es ein Unterschied, ob Sie einen Text schreiben und entsprechend Platz und Zeit für Differenzierungen haben oder ob Sie mit jemandem reden und die Sprache lebendig sein darf. Wenn Sie professionell telefonieren, sind Sie natürlich im Sprechen und Ansprechen geübt – aber Sie haben oft nur begrenzt Zeit, das Gegenüber zu erreichen. Für mich gilt dabei: Betonen Sie inhaltliche Gemeinsamkeiten, formulieren Sie ansprechend, statt jedes Wort auf die Goldwaage zu legen. Am Telefon können auch die Ohren sehen, hier zählt das Wort von Mensch zu Mensch. Wenn Sie menschliche Nähe etwa über gemeinsame Interessen herstellen, kommen Sie einander auch sprachlich rasch näher. Denken Sie dran: Jedes Gespräch ist so gut wie das Gefühl, das es bei allen Beteiligten hinterlässt. 😊

Foto: Adobe #228337582 gender equality @1STunningART