Der Verstand wird überschätzt. Das glauben Sie nicht? Dann erinnern Sie sich doch mal an wichtige Weichenstellungen in Ihrem Leben – beruflich wie privat: Haben Sie stets alles genau abgewogen und dann nach einer Pro-und-Contra-Liste entschieden? Sicher nicht. Und denken Sie weiter an erfolgreiche Menschen, etwa an Nicola Tesla oder Albert Einstein: Auch diese sind bei Weitem nicht immer ihrem scharfen Verstand gefolgt, sondern ihrem Gefühl. Hätte Tesla, sicherlich einer der genialsten Erfinder aller Zeiten, sonst derart viele Patente bewerkstelligt? Sein Traum war es, Energie (Wechselstrom) weltweit frei verfügbar zu machen, ebenso wie blitzschnelle Kommunikation. Einstein meinte übrigens: Fantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt. Heute sind sich Neurowissenschaftler einig, dass uns in erster Linie unsere Emotionen steuern. Der Verstand kommt erst danach ins Spiel, um eine Entscheidung abzusichern und zu rechtfertigen. Das ist auch verständlich, denn der Verstand ist extrem langsam. Unser Gehirn braucht, so Verhaltensforscher, etwas drei Sekunden, um eine vernünftige Entscheidung zu treffen. Das ist angesichts einer drohenden Gefahr natürlich keine gute Sache. Schließlich können wir weder mit dem Säbelzahntiger noch mit dem Auto, das auf unserer Spur auf uns zurast, diskutieren. Hätten wir stets den Verstand bemüht, die Menschheit wäre längst ausgestorben.
Lassen Sie also Intuition zu, auch und gerade im Business, selbst wenn dort offiziell nur der Verstand regiert. Denn Wirtschaft ist bekanntlich mindestens zur Hälfte Psychologie, wie nicht zuletzt die Börse lehrt. Intuition (lat. intueri = betrachten, erwägen, wörtlich: angeschaut werden) lässt sich nur schwer erklären, aber jeder hat sie schon erlebt. Sicher erinnern Sie sich an Situationen, in denen Sie an jemanden gedacht haben – und just in dem Moment rief derjenige Sie an. Intuitive Entscheidungen sind nach wissenschaftlichen Studien besser als rein verstandesmäßige. Ein Beispiel dafür bieten Profigolfer. Die amerikanische Psychologin Sian Leah Beilock (Universität Chicago) hat herausgefunden, dass professionelle Golfer die beste Leistung bringen, wenn sie keine Zeit haben, über ihren Schlag nachzudenken. Bei Amateuren ist es übrigens genau andersherum. Das hat mit unbewusstem Wissen zu tun, mit Erfahrungswissen. Wenn wir etwas wirklich gut beherrschen, können wir es „im Schlaf“, also ohne darüber nachzudenken, quasi auf Autopilot. Die Intuition zapft dieses versteckte Wissen an, das wir uns im Laufe unseres Lebens angeeignet haben. Unser Gehirn speichert Erlerntes. Darauf dürfen wir vertrauen.
Einen besseren Zugang zu Ihrer Intuition können Sie übrigens trainieren. Hier eine kleine Übung, die Sie mit guten Bekannten machen können. Sie brauchen dazu mindestens acht verschiedenfarbige Karten möglichst gleicher Größe. Und so geht’s:
- Einer beginnt und legt die farbigen Karten auf einem Tisch aus.
- Ein Partner wählt eine dieser Karten aus, während der Arbeitende wegsieht.
- Währenddessen hält der Übende schriftlich fest, welche Karte der Partner gleich wählen wird.
- Außerdem schreibt der Übende auf, warum er diese Karte dem anderen zuschreibt (spontan, aus dem Bauch heraus).
- Jetzt wird gewechselt: Derjenige, der eben eine Karte gezogen hat, lässt jetzt das Gegenüber eine Karte ziehen, während er wegsieht.
- Nun wird ausgewertet: Stimmen die ausgewählten Karten überein – und gibt es Übereinstimmungen bei den Begründungen für die Auswahl?
- Wenn es keine Übereinstimmung gibt, prüfen Sie bitte trotzdem, inwieweit die Gründe für die Auswahl ggf. übereinstimmen oder nicht.
- Falls es mit der Übereinstimmung noch hapert, üben Sie weiter. Übung macht den Meister.
Wichtig zu wissen: Nutzen Sie das Geschäftsleben genauso als Spielwiese, Ihre Intuition zu schärfen, wie Ihr privates Umfeld. Sie brauchen es ja nicht bei jedem an die große Glocke zu hängen. Lernen Sie Ihrer inneren Stimme zu lauschen, achten Sie u. a. Geistesblitze, Bauchgefühle oder Erkenntnisse, die sich scheinbar aus dem Nichts offenbaren. Trauen Sie sich mit Ihrer Intuition kleine, geheime Experimente starten, die Sie dann steigern – so ist eine Menge Spaß garantiert. Telefongespräche stellen oft einen schnellen Austausch von Botschaften dar, umso besser, dass intuitives Telefonieren nicht aus dem Verstand erfolgt, sondern vor allem gefühlsmäßiges Telefonieren ist. Öffnen Sie sich Ihrem Gesprächspartner und stellen Sie sich positiv auf ihn ein. Menschenfreundlichkeit und echtes Interesse am anderen sind Voraussetzung, damit Sie eine gute Beziehungsebene finden und die Intuition eine Chance hat zu wirken. Hilfreich ist es hier, sich das Gegenüber bildlich vorzustellen, wie wir es schon in der letzten Telefon-News besprochen haben. So finden Sie einen Draht, eine Wellenlänge zum anderen. Sollten Sie spontan an jemanden denken, nutzen Sie das, um ihn anzurufen, er wird sich wahrscheinlich freuen. Und Sie haben einen Stein bei ihm im Brett.
Foto: Claudia Fischer (fotografiert an der Isar in München)