Reklamation als Chance

acquisa – Dezember 2005

Telefonische Beschwerden erscheinen oft als Einbahnstraße, bergen aber große potenziale für die weitere Kundenzufriedenheit. Dazu müssen die Anrufer vor allem ernst genommen und die Mitarbeiter in professioneller Gesprächsführung geschult werden.

Jeder Verkäufer fürchtet sie: Kunden, die vornehmlich am Telefon ihrem Ärger Luft machen und überall das Haar in der Suppe finden. Doch gerade Kunden, die konstruktiv kritisieren, können besonders wertvoll sein. Denn wer die Beschwerden und Einwände eines Kunden ernst nimmt, verwandelt oft seine Kritik oder Zurückhaltung in Begeisterung. Professionelles Beschwerdemanagement und intelligente Einwandbehandlung sind angesichts des zunehmenden wettbewerbsdrucks unabdingbar.

Obwohl diese Erkenntnis von fast allen Telefonprofis unterschrieben wird, ist in der Praxis vieler Unternehmen beides leider kaum zu finden. Da werden Kunden meist vorschnell aufgegeben oder die Akquise-Bemühungen abgebrochen. Das kann sich nach Expertenansicht als großer Fehler erweisen, denn so werden wertvolle Chancen vergeben. Vor allem Mitarbeiter mittelständischer und kleinerer Unternehmen müssen in diesem Bereich ihre Hausaufgaben machen. Ein professionellerer Umgang mit Gesprächspartnern, die Vorbehalte äußern, die über den Preis oder Preiserhöhungen meckern oder die gar die gemachten Angebote zunächst ablehnen. dürfte sich für die Betriebe als sehr hilfreich erweisen. Gerade im Halten dieser Kunden unterscheiden sich Top-Verkäufer von Durchschnittsverkäufern.

Mit positiver Einstellung starten

Man muss ja nicht gleich einen Beschwerdemanager als neues Berufsbild schaffen. Denn jeder Verkäufer, ja jeder Mitarbeiter, sollte professionell mit den Beschwerden seiner Kunden umgehen, also Beschwerdemanager sein. Dazu gehört zuallererst eine positive Einstellung gegenüber Kunden, die Kritik vorbringen. Statt sie zu fürchten, sollte man sie ernst nehmen und ihnen helfen wollen. Die Reklamation ist ja auch eine Chance, die eigenen Produkte und Dienstleistungen entscheidend zu verbessern und so den Wettbewerbern ein Stück weit zu enteilen. Außerdem ist sie eine gute Gelegenheit, sich mit seinen Vorteilen für den Kunden fest in dessen Kopf zu verankern. Was sich in der Theorie sehr einleuchtend anhört, ist jedoch im beruflichen Alltag schwierig umzusetzen. Während bei einer persönlichen Begegnung Mimik und Gestik zur Verfügung stehen, beschränkt sich das Repertoire beim Telefonat auf die Möglichkeiten der Stimme und Sprache. Wie also beispielsweise auf den ungebremsten Redeschwall eines Kunden reagieren? So simpel es erscheinen mag, oft hilft schon, vor der Abnahme des Hörers zu lächeln. Das wirkt oft Wunder, denn wer lächelt, bringt sich selbst automatisch in eine entspannte und optimistische Stimmung. Der Anrufer bekommt dadurch das Gefühl, in »guten Händen« zu sein. Dadurch legt sich sein Zorn oft sehr schnell. Ebenso wichtig ist die schon erwähnte positive Grundhaltung. Beschwerden sollten als Weg zu begeisterten Kunden und nicht als Störung des Seelenfriedens verinnerlicht werden.

Immer erreichbar sein

In der Praxis gehört zum professionellen Beschwerdemanagement auch eine Erreichbarkeit zu Geschäftszeiten. Denn damit erklären sich Unternehmen und Mitarbeiter verantwortlich. Bei Abwesenheit vom Arbeitsplatz sollte das Telefon auf das eigene Handy oder den Anschluss eines Mitarbeiters umgestellt werden. Ebenso wichtig sind die freundliche Begrüßung des Anrufers, die Nennung des eigenen Vorund Zunamens, das aktive Zuhören und das Ausredenlassen. Emotionale Wendungen – am besten sogar ein Lob – beschwichtigen den Anrufer. Ein Beispiel dafür ist die Formulierung »Es ist sehr gut, dass Sie sofort angerufen haben. Ich verstehe, was Sie meinen. ..und helfe Ihnen jetzt sofort.« Für den weiteren Verlauf des Gesprächs hilft eine Checkliste, die für fast jeden konkreten Fall anwendbar ist.

Für echte Profis ist das Beschwerde- und Einwandmanagement auch nach Auflegen des Hörers keineswegs abgeschlossen. Es folgt die schriftliche Nachbereitung des Telefonats, auf Grund dessen notwendige Schritte eingeleitet werden.

Kostenlose Werbung

Zu viel Aufwand für die Kritiker? Wäre es nicht besser, sich auf die zufriedenen Kunden zu konzentrieren? Einfacher vielleicht, doch kaum lohnender. Wer ohnehin sehr zufrieden ist, wird Kunde bleiben. Die halb-, mittel- und unzufriedenen Anrufer dagegen wandern leicht zu Wettbewerbern ab. Durch die Beschwerde geben sie dem Verkäufer die Chance, zu handeln und sie damit wieder zufrieden zu stellen. Ein wei- terer Aspekt, der meist vernachlässigt wird: Beschwerden, die der Verkäufer in Verbesserungen seiner Leistungen ummünzt, zeigen dem Kunden, dass er durchaus etwas bewirken kann. Seine Wertschätzung für die eigene Person sowie natürlich auch für den Verkäu- fer und sein Unternehmen steigen. Aus anfangs unzufriedenen Kunden werden daher oft begeisterte Kunden. Und weil über etwas Besonderes gerne gesprochen wird, empfehlen sie das Unternehmen bei Freunden und Bekannten -eine kostenlose Werbung, deren Wert kaum zu überschätzen ist. Ein Vergleich zur Partnerschaft im privaten Leben verdeutlicht die Situation: Wenn es kracht, lernen sich beide von neuen Seiten kennen. Im besten Fall geht die Beziehung gestärkt aus dem Konflikt hervor. Die Partner wissen noch mehr übereinander als vorher, was die Sicherheit erhöht.

TIPPS: Die häufigsten Fehler am Telefon

Im Gespräch mit unzufriedenen Kunden kann man schnell ins Fettnäpfchen treten. Um das zu vermeiden, müssen Mitarbeiter folgende Situationen umschiffen:

AufKonfrontation gehen mit scharfem Tonfall:
Zu vermeiden sind unbedingt Worte wie „aber“, „müssen“ oder „Irrtum“, die dem Kunden Konfrontation und Ablehnung seiner Person signalisieren. Verkäufer, die auf Konfrontation gehen, erreichen meist nur, dass sich der Gesprächspartner Sachargumenten gegenüber verschließt.

Unterbrechen im ersten Redeschwall:
Der erste Redeschwall eines aufgeregten Kunden kann heftig sein, doch er dauert nicht ewig. Bekommt er Zeit, Dampf abzulassen, beruhigt er sich dadurch oft fast von selbst.

Den anderen brüsk zurückweisen:
Auch wenn die Beschwerde des Kunden sachlich völlig falsch ist, darf er keinesfalls als der Schuldige dastehen. Selbstgerechte Kommentare des Verkäufers wie. Das kann nicht sein“ oder „Da haben Sie das System falsch bedient“ werden auf der Gefühlsebene meist als Angriff verstanden

Den anderen ins „Jammertal“ führen:
Direkte Gegenfragen wie „Was ist passiert?“ oder „Was heißt für sie zu teuer?“ kippen die Gesprächsatmosphäre in den Minusbereich. Fragen dieser Art werden zwar vom Kunden meist beantwortet – er jammert -, doch für den weiteren Gesprächsverlauf sind sie äußertst gefährlich. Denn: Ungeplante Telefonate sind zu kurz, um den Stimmungsbogen wieder positiv aufzubauen, wenn dieser erst einmal „am Boden“ ist.

Sich in die Flucht schlagen lassen:
Auf keinen Fall sollte der Verkäufer ein Reklamationsgespräch möglichst schnell beenden, weil es ihm unangenehm ist. Viel geschickter ist es, am Kunden dran zu bleiben. Denn dieser fühlt sich dadurch angenommen und in seiner Meinung respektiert – und der Verkäufer wendet die anfänglich schlechte Atmosphäre ins Positive.

TIPPS: Erfolgreiches Beschwerdemanagement

Unternehmen sollten Einwände der Kunden zu Chancen machen und diese nutzen. Grundregeln helfen Mitarbeitern dabei, Ärger je in positive Reaktionen umzuwandeln.

Sich positiv einstellen: Ganz wichtig ist die positive Einstimmung auf das Verkaufsgespräch am Telefon. Sie funktioniert beispielsweise durch die motivierende Erinnerung an erfolgreiche Vertragsabschlüsse, die man gerne wiederholen möchte. Außerdem gilt es, Einwände und Widerstände des Kunden nie persönlich zu nehmen. Sie sind eine ganz normale Reaktion in allen vom Wettbewerb beherrschten Märkten.

Dem Kunden zuhören:
Beim ersten Redeschwall reicht Zuhören aus. Der Kunde wird ausreichend bestätigt durch kleine „hm’s“ zwischendurch. Sachdienliche Aussagen des Kunden sollten währenddessen geräuschlos, also ohne Klappern der Tastatur, notiert werden.

Dem Kunden Respekt zollen: Echte, also nicht bloß vorgeschobene Einwände eines Kunden sollten respektiert werden. Und diese Haltung muss ihm deutlich gemacht werden. Sehr Erfolg versprechend ist es, den Gesprächspartner in seinen Bedenken zu bestätigen. Allerdings darf dies nur auf der emotionalen Ebene geschehen. Beispielsweise provoziert ein Eingeständnis wie „Das stimmt. Die am Montag gelieferten Teile waren fehlerhaft…“ fast zwangsläufig weiteren Frust beim Kunden. Demgegenüber signalisiert ein Satz wie „Danke, dass Sie sich sofort wegen der letzten Lieferung gemeldet haben…“ respektvolles Lob, das den Kunden besänftigt.

Verständnisvoll nachfragen:
Mit einer Frage wie „Habe ich Sie jetzt richtig verstanden, dass Sie anstelle der Menge x die Menge y erhalten haben?“ lassen sich wertvolle Verständnisquittungen abholen. Im weiteren Verlauf des Gesprächs tragen offene Fragen zur Klärung der Details bei. Fragen zeigen dem Kunden, dass ihm zugehört wurde, und vermitteln das Gefühl, im Augenblick der für das Unternehmen wichtigste Mensch zu sein.

Den Kundennutzen herausstellen:
Nach einer Erklärung dessen, was passiert ist, sollte innerhalb kürzester Zeit der Kundennutzen heausgestellt (und damit wieder im Kundenkopf verankert) werden. Wer direkt vom Einwand zu zwei konkreten Vorteilen seines Angebots überleitet, erhöht seine Erfolgswahrscheinlichkeit um 100 Prozent. Notwendige Vorbereitung ist eine Analyse des Angebotes aus Kundensicht.

An die Zukunft denken:
Nach einer Einigung ist die Zeit für Benefit Sales. Erfahrene Verkäufer denken an die Zukunft. Sie fragen nach zusätzlichen Kundenwünschen, ermitteln möglichen Zusatzbedarf und mittelfristige Planungen des Kunden, lassen sich weitere qualifizierte Ansprechpartner und Referenzadressen geben.

Das Gespräch professionell beenden:
Am Ende des Telefonats sollte eine positive und sachliche Zusammenfassung stehen. Profis legen das weitere Vorgehen fest und verabschieden sich mit persönlichen Worten. Für die Folgezeit sorgen sie dafür, dass der Kunde sie selbst oder einen kompetenten Vertreter einfach erreichen kann.